Zu viel des Guten macht rasend hilflos – oder hilflos rasend
Situation 1:
Urlaubsplanung Sie machen Ihre Urlaubs-Jahresplanung und nehmen dieses Mal keinen einzigen Brückentag. Im vergangenen Jahr haben Sie festgestellt, dass Sie an diesen einzelnen Tagen sehr entspannt und effizient arbeiten können. Erst sprechen die Kollegen Sie an, ob das denn so richtig sei und ob alles in Ordnung sei. Sie bejahen es und erläutern Ihre guten Gründe. Trotzdem macht sich eine Ihrer Kolleginnen Sorgen und spricht den Chef an. Dieser fühlt sich gemüßigt, Sie darauf anzusprechen. Mit Ihrer Erklärung Ihrem Chef gegenüber kommt das erste Mal ein Hauch von Rechtfertigung auf, welches sich damit noch verstärkt, dass er Ihre Erklärung nicht nachvollziehen kann. Ihr Chef hat das »Sorgen-Geflüster« der Kollegin im Ohr ... und Sie fragen sich irgendwann, wie es sein kann, dass Sie sich für Ihre persönliche Planung tatsächlich rechtfertigen müssen, nur weil eine Kollegin es gut mit Ihnen meint.
Situation 2:
technisches Know-how Zu Ihrem Job als Assistentin der Geschäftsleitung gehört es, Tagungsräume inhouse zu buchen, das Catering zu bestellen und die Technik zu prüfen. Diese Aufträge gehören zu Ihren kleinsten Übungen. Der Hausmeisterservice des Unternehmens, der auch die Technik versorgt, sieht sich regelmäßig gemüßigt, Ihnen zu sagen, dass Sie die Funktionsfähigkeit der Technik nicht kontrollieren müssten. Und wenn Sie es kontrollieren wollten, würde man Ihnen gerne die Technik vorher erklären. Aber das brauchen Sie ja nicht, denn das nimmt man Ihnen gerne, ja sogar sehr gerne ab. Sie können sich jederzeit melden, es ist ja nicht schlimm, wenn Sie sich nicht auf die Bedienung der Computer, des Videobildschirms für Konferenzen etc. verstehen. Sie hören sich das immer wieder an. Und kochen innerlich. Und fragen sich, ob die Herren der Technik noch immer nicht verstanden hat, dass Sie sich sehr wohl auch mit der Technik auskennen – und außerdem nicht begriffsstutzig sind.
Situation 3:
Fehlerquote Sie arbeiten seit 5 Jahren in einer Abteilung, die das Back Office für den Vertrieb stellt. Es kommt vor, dass Sie Fehler machen, jedoch nicht mehr oder weniger als der Durchschnitt. Einem Kollegen fallen diese Fehler auf und beginnt Ihre Leistungen zu beobachten. Er geht davon aus, dass Sie Unterstützung benötigen und bietet großzügig selbige an. Leider nimmt er Ihre dankende Ablehnung nicht ernst und bleibt hartnäckig auf Ihren Fersen. Er meint es wirklich gut und möchte Sie fit machen. Es geht soweit, dass Sie sich genötigt sehen, Ihre Ablehnung etwas vehementer zu platzieren. Ihnen wird dies nachteilig im Umgang mit Kollegen ausgelegt.
Wahrscheinlich fallen Ihnen noch mehr Beispiele ein. Diese und andere Situationen »sammeln« MitarbeiterInnen »gerne«, denn es ist wirklich oft nicht leicht, gut gemeinte fürsorgliche Angebote so abzulehnen, dass die Ablehnung nicht persönlich genommen wird.
Was fällt hier schon auf? Eine Person ist gutmeinend und Sie haben ein Problem, von dem Sie zuvor noch gar nichts wussten. Wie kommen die Menschen dazu, ihre eigenen Bedürfnisse als die Ihren zu benennen und damit ihr Helfersyndrom und die damit einhergehende Übergriffigkeit nicht nur zu legitimieren, sondern auch noch als zuvorkommend darzustellen?
Auf diese und andere damit einhergehenden Fragen, habe ich nicht die Antwort. Allerdings kann ich aus langjähriger Erfahrung sagen, dass es bei weitem nicht so leicht ist, sachlich und bestimmt Stellung zu beziehen, ohne dabei unfreundlich zu wirken.
Es geht ja nicht nur um das gut gemeinte Angebot, sondern meist in der Folge auch darum, dass man Sie und Ihre Stellungnahme ernst nimmt und zwar auf Dauer und in der Form, dass es gänzlich aus der Welt geschafft ist. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Wie sind Sie diesen begegnet?