„Sagen Sie mal, haben Sie eigentlich ’ne Macke?!“
Sie glauben ja gar nicht, wie sehr mich dieser Satz an meinen Onkel erinnert. Und wie oft. Es gibt Tage, an denen ich mehrfach an ihn denke und ich bin ihm für die Szene, aus der dieser Satz stammt, immer wieder von ganzem Herzen zutiefst dankbar. Warum? Dieser Satz hilft mir, richtig besch ..., Entschuldigung »bescheidenem« Verhalten – vielleicht kann man es auch hilfloses oder ignorantes Verhalten nennen – mit Humor zu parieren, ohne den Ernst der Lage missen zu lassen und die Menschen in ihrer eigenen Art ernst zu nehmen. Und natürlich auch immer wieder die Fassung zu bewahren, wenn mir unverständliches Benehmen an den Tag gelegt wird. Kennen Sie das auch?
Ignorantes Verhalten am Flughafen
Ich vermute, gerade läuft ein Film bei Ihnen ab. Mein letzter Film hatte die Gestalt einer jungen Frau, die im Hamburger Airport mit Ohrstöpseln geschmückt ihren Rollkoffer schräg eher neben als hinter sich herziehend durch eine Sitzreihe ging. Den Gang zum Boardingschalter ignorierte sie komplett. Einmal rempelte sie meinen Fuß heftig und schmerzhaft an und ich schrie mädchenhaft auf. Sie hörte das nicht und lief einfach weiter. Mein Gegenüber schüttelte nur unverständlich den Kopf.
20 Minuten später das gleiche Spiel, nur dass sie es diesmal merkte, sich zu mir umdrehte und mir den erhobenen Zeigefinger zeigte. Was bedeutete das? Eine Entschuldigungsvariante der Generation Kopfhörer? Das sind übrigens nicht nur junge Menschen. Oder vielleicht eine Ermahnung an mich, weil ich dem Koffer im Weg war? Hallo?! Haben Sie eigentlich eine Macke? Ja, hat sie. Wie viele andere auch, die ich mit dem Generalbegriff merk-frei charakterisieren will.
Ignorantes Verhalten im Fitnessstudio
Eine andere Situation: Ich war in einem Hotel und nutzte mit anderen Gästen den hauseigenen Fitnessraum. Klein, aber okay. Ich hatte TV und Radio ausgeschaltet, weil ich den Blick in die Landschaft und die Ruhe genießen wollte. Schließlich waren den ganzen Tag 20 streitende Leute um mich herum. Nach kurzer Zeit kam ein anderer Hotelgast herein – dass er nichts zur Begrüßung sagte, weil er wahrscheinlich zungenamputiert war oder ihm die Worte fehlten, lasse ich mal komplett außen vor. So etwas kann vorkommen. Nein, weit gefehlt. Er stellte sich auf das Laufband direkt neben mir und begann lauthals zu telefonieren. Nach kurzer Zeit wusste ich so einiges über sein Geschäft und über seinen Kunden. Merkt der überhaupt etwas? Oder spinne ich? Bin ich unsichtbar?
Beispiele dieser Art kann ich viele aufzählen. Übrigens machte der Herr nach dem Telefonat den Fernseher an, logo: laut, um dann im Saunabereich zu verschwinden. Sie wissen schon. Hat der ...?
Das sind eher harmlose Erlebnisse. Weniger harmlos verlaufen diese Verhaltensweisen, wenn sie auf Dauer am Arbeitsplatz an den Tag gelegt werden.
Ich möchte wissen, was diese Menschen antreibt. Ich möchte verstehen, was die Ignoranz anderer Menschen bewirken soll. Ich möchte wissen, was diese Personen befürchten, was passiert, wenn sie andere Menschen nicht ignorieren und aufmerksam durch die Welt gehen. Ich möchte wissen, wie viele Konflikte, wieviel Mobbing, wie viele Erkrankungen und wieviel Gewalt (physisch wie psychisch) vermieden werden kann, wenn Menschen einander Achtung, Be-Achtung entgegenbringen.
Einfach mal richtig meckern
Im Dezember bin ich von der SZ zum Thema »Richtig meckern« interviewt worden. Anfang des Jahres vom ZDF. Und was soll ich sagen ... manchmal möchte ich einfach mal nicht nach den Regeln der Kunst meckern. Ich will dann gerne mal den Menschen schütteln und fragen: Sagen Sie mal, haben Sie eigentlich ’ne Macke?!