17.01.2024

Ein verlorener Wert in unserer modernen Gesellschaft – warum wir dringend eine Respekt-Revolution brauchen

Im Meeting tippt der Chef gedankenverloren auf seinem Handy herum, während sein Mitarbeiter gerade ein Projekt vorstellt, auf das er besonders stolz ist. Er hat viel Herzblut, Überstunden und Energie hineingesteckt, um es zum Erfolg zu führen. Im Supermarkt wird eine Kassiererin von einem Kunden beleidigt, weil sie einen Fehler beim Scannen gemacht hat. Es ist ihr erster Tag im neuen Job. Sie ist ohnehin schon nervös und möchte alles richtig machen. Im Café macht sich eine Frau über den Mann am Nebentisch lustig, der sich beim Bestellen verhaspelt, da er die Sprache noch nicht perfekt beherrscht. Er ist erst seit drei Monaten im Land und es hat ihn viel Mut gekostet, überhaupt etwas auf Deutsch zu ordern. Was haben diese drei Situationen gemeinsam?

Ein verlorener Wert in unserer modernen Gesellschaft – warum wir dringend eine Respekt-Revolution brauchen

Wir erleben jeden Tag, dass sich Menschen über andere stellen, sich für besser halten und sich respektlos verhalten. Was aber bedeutet Respekt überhaupt? Wenn wir das Wort „Respekt“ im Duden nachschlagen, erhalten wir folgende Definitionen: auf Anerkennung, Bewunderung beruhende Achtung; vor jemandem aufgrund seiner höheren, übergeordneten Stellung empfundene Scheu, die sich in dem Bemühen äußert, kein Missfallen zu erregen. Respekt bedeutet somit, einem anderen Menschen Anerkennung zu zollen für das, was er ist, was er leistet und was er erreicht hat. Dies kann sowohl im materiellen als auch im immateriellen Sinne verstanden werden. Gehen wir noch etwas tiefer in den Ursprung. Respekt leitet sich vom Lateinischen „Spectre“ ab, was so viel bedeutet wie „ich sehe dich“, „ich erkenne dich an“. Betrachten wir es aus dieser Perspektive, bekommt Respekt eine ganz andere Wertung. Es geht nicht nur um die Anerkennung von Leistungen oder Besitztümern, sondern um die grundlegende Wertschätzung eines jeden Individuums.

 

Respekt – ein Spiegel unserer Vorurteile und Hierarchien

Vielleicht kennen Sie auch noch die Werbung einer bekannten Bank, in denen mit dem eigenen Haus, Auto, Boot, Pferd usw. geprahlt wird. Obwohl das schon einige Zeit zurückliegt, spiegelt es sehr gut wider, wie unsere Gesellschaft tickt. Wir respektieren und achten vor allem Menschen, die uns „überlegen“ sind – sei es körperlich, intellektuell, rhetorisch oder hierarchisch. Auch Gleichgesinnten begegnen wir oft mit Respekt, da wir uns auf einer Stufe mit ihnen sehen und uns selbst ja auch mit Respekt begegnen. Doch was ist mit den anderen? Mit den Menschen am Rande der Gesellschaft? Gehen Sie einmal in sich und überlegen Sie, wie Sie mit Personen, die als „minderwertig“ betrachtet werden, umgehen. Was denken Sie, wenn Sie einen Obdachlosen auf der Straße sehen? Wie ist es, wenn Sie sich mit einem Menschen mit Behinderung unterhalten? Wie reagieren Sie, wenn Ihnen ein Süchtiger oder psychisch kranker Mensch begegnet?

 

Jeder hat ein Anrecht auf Respekt

Mein Appell ist klar: Jedes Leben auf unserem Planeten hat mit der Geburt ein Anrecht darauf, respektvoll behandelt zu werden. Auch jene, die aus unserer Sicht nicht viel leisten, optisch aus dem Rahmen fallen, mit Krankheiten kämpfen oder sich in Lebensumständen befinden, die uns vielleicht sogar ein Dorn im Auge sind. Hat es nicht Respekt verdient, dass ein obdachloser Mensch Tag für Tag sein Leben meistert und es ohne Dach über dem Kopf oder finanzielle Mittel schafft zu überleben? Manche von ihnen sind unverschuldet in diese Situation geraten und haben alles verloren – sollte ihnen jetzt auch noch der Respekt aberkannt werden? Hat nicht die alleinerziehende Mutter, die es gerade so schafft, mit zwei Jobs sich und ihre Kinder über die Runden zu bringen, unseren Respekt verdient? Obwohl sie nicht reich ist, nur eine geringe Bildung hat und sich ihre Knirpse manchmal in unseren Augen danebenbenehmen, hat sie wieder jeder andere ein Anrecht darauf, respektvoll behandelt zu werden.

 

Ein Gedankenexperiment: Was wäre, wenn …

Lassen Sie uns zu diesem Thema ein Gedankenexperiment starten. Stellen Sie sich vor, wir zollen uns allen gegenseitig Anerkennung, für das, was wir im Rahmen unserer Möglichkeiten leisten, und wir schätzen jedes Lebewesen wert. Was würde passieren? Welche positiven Auswirkungen hätte das auf uns als Menschheit, auf unser Umfeld, unsere Umwelt? Wie würden sich unser Denken, unsere Sprache und der Umgang miteinander verändern? Jeder darf sich jetzt selbst überlegen, was sich global verändern würde, wenn sich alle mit Respekt begegnen.

 

Der Stein des Respekts

Eine Metapher, die verdeutlicht, dass wir alle unseren Teil dazu beitragen können, eine respektvolle und damit bessere Welt zu schaffen, ist die des großen Sees. Jeder von uns hat einen Stein in der Hand, der Respekt symbolisiert. Werden nur ein oder zwei Steine in den See geworfen, beschränken sich die Kreise auf einen kleinen Raum – nur auf der Mikroebene gibt es kleine Veränderungen. Was aber, wenn wir alle unseren Stein hineinwerfen. Wie viele Kreise würden gezogen werden und weit würden sie reichen? Plötzlich wäre Respekt nicht mehr auf Mikroebene, sondern in der Mesoebene. Utopisch gesehen, gäbe es dann keine Kriege oder gewaltsamen Auseinandersetzungen mehr, wir bräuchten keine Klimakonferenzen, die Kriminalität würde rapide sinken usw. Probieren Sie doch selbst aus, was Positives passiert, wenn Sie einen Tag, eine Woche, ein Jahr oder ein Leben lang jedem Menschen, jedem Tier und der Natur respektvoll begegnen.

 

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